Sex-Tagebuch

Beim surfen durch die Quatsch-Seiten dieser Welt ist mir von The Huffington Post der Beitrag „Können wir erraten, wie viele Sexpartner Du hattest?“ aufgefallen. Beschrieben wird das witzige Game mit:

„Deinen Eltern hast du es verschwiegen, bei deinen Kollegen spielst du es herab (oder herauf) – aber was bisher nur deine beste Freundin wusste, können wir erraten.

Das glaubst du nicht? Dann mach den Test!“

Yo. Harmloses Späßchen. Ich gehe in meinem Interpretationsraum mal soweit zu sagen dass mit „spielst du es herab“ wahrscheinlich für die Frauen undspielst du es (…) herauf“ die Männer gemeint ist. Nur so ein Guess. Das Ganze ist eh witzig gemeint und ich bin ja kein Spaß-Verächter und hab mal mitgemacht. Ergebnis lag weit entfernt von dem wahren Sammelsuriums-Wert und zwar bei angeblichen sieben lucky oder unlucky men. In Wahrheit sinds mehr als sieben. Also gemäß der spaßigen Erklärung nehme ich mal an, dass ich zu denen gehöre, die das bei meinen Kollegen eher „herab spielen“ würden/sollten, weil Frau und so. Was ich natürlich nicht tue. Ich spiele es aber auch nicht „herauf„, aber das liegt daran das, sollte ich mal einen Job bekommen und Kollegen haben, ich denen sicher nichts von der Quali- und Quantität meines vergangenen Sexlebens offenbare. Not their business.

Aber jetzt mal KollegIN hin oder her – wieso sollten wir überhaupt etwas herauf oder herab spielen bezüglich unserer verflossenen Sexpartner? Check ich nicht. Würde ja bedeuten mit dem Status Quo nicht richtig happy zu sein. Bei mir war sicherlich der ein oder andere Kerl dabei für den ich mich heute mehr schäme als in romantische Nostalgie zu verfallen. Manche würde ich vielleicht gerne verdrängen aber das sind ja qualitative Evaluierungen, die Anzahl an sich ist doch #literally Bums – oder nicht? Aber zum Glück sind wir ja heute aufgeklärt, emanzipiert, gleichberechtigt und ach ja so, so schön frei. Der sexuellen Revolution haben wir es zu verdanken dass zwischen Männlein und Weiblein endlich keinerlei Machtkämpfe mehr gefochten werden müssen, sondern sich eben beide ganz, ganz arg doll lieb haben und respektieren. Alles voll cool und so.

Nicht? Wieso denn nicht? Sexpartner ist ein gutes Stichwort. Leider kann und will ich mit keinerlei Statistiken um mich werfen die beweisen wie crass Recht ich mit meiner folgenden Aussage habe. Ist immer noch ein Opinionblog der eben wiedergibt wie die Welt aus meinen Augen aussieht. Folgende Erfahrung wird auch keinen Umhauen und nichtmal schocken (und das finde ich schon wieder „schockenswert“). Diese Erfahrung wäre, dass Männer gut und gerne viele Sexualpartner gehabt haben dürfen, Frauen allerdings nicht. Das liegt nämlich daran, dass Männer einen stärkeren Sextrieb haben, oder daran, dass es für einen Mann eine Trophäe ist eine Frau „rumzukriegen“ während es für eine Frau eine Genugtun ist „eben nicht rumgekriegt zu werden“ Herrje, wer hat sich denn diese komplizierte Rechnung ausgedacht. „Mädchen, halt Dich rar“ ist so ein typischer Oma-Spruch den man ratsam von älteren Generationen aufgedrückt bekommen hat, während der Bruder in die Disco ging. Das Mädl sollte natürlich brav zuhause sein, so gehört sich das.

An dieser Stelle muss ich mal meinen Papa loben. Kommt aus einer anderen Generation und zeigt sicher auch ab und zu „Nachholbedarf“ auf was feministische Bestrebungen angeht. Aber Papa hat schon früh die Krux dieser (größtenteils veralteten und doch noch auffindbaren) „Moral“ entdeckt. Er meinte zu meinem Bruder und mir, man sage den halbstarken, jungen Bürschlein oft sie sollten sich die „Hörner abstoßen“ – dies war eindeutig nicht nur auf Krawall und Remmidemmi bezogen sondern auch unmissverständlich im Bezug aufs andere Geschlecht zu verstehen. Dann erkannte mein Vater richtig, dass die Väter, die Ihren Söhnen rieten sich die „Hörner abzustoßen“ dieselben sein, denen die Keuschheit der eigenen Tochter mit gleichem Elan am Herzen lag. Nur halt ze other way round. Das die armen unkeuschen Dinger bei denen sich der Stramme Max dann die Hörner abstößt vielleicht auch einen Daddy haben, der sie liebt und geschützt wissen will war den Doppelmoral-Daddies dann wohl einfach bisschen egal. Die eigenen Maxime wurden nicht zur Maxime aller generalisiert und der arme Kant hätte sich im Grab gedreht.

Die Rechnung geht fucking nochmal nicht auf. Vielleicht nur wenn die Männer einfach Sex mit Männern unter sich haben, wie eben gemeinsam masturbieren, Wlan-parties schmeißen oder Bier aufm Aldi-Parkplatz süffeln. Da sagen die ja später auch „früher haben wir so wilden Quatsch gemacht, Parkschilder geklaut, Pokémon Karten gesammelt und Playsii gespielt“. Waren auch kaum Mädchen beteiligt (Ich jedenfalls nicht) und ging ja auch auf. Halten wir fest: Wenn Männer sich die Hörner abstoßen dürfen/sollen und Mädels dürfen das eben nicht klappt’s nur mit gemeinsamer Salamiparty und Popoliebe. Irgendwie ist Swordfight aber nur bei Star Wars oder eben den Schwulen cool im Game. Wie klappt dass denn dann? Wie können wir diese schöne Doppelmoral aufrecht erhalten? Hier wäre Bentham super, in dessen Ethik geht es nicht um das Wohl aller sondern eben nur der Masse. Nach der Theorie können wir sie sexuelle Ungleichheit weiter moralisch rechtfertigen! Yaaaaay! Da bräuchten wir theoretisch nur eine unkeusche Frau an der dann alle Männer ihre Hörner so richtig abwälzen können. Hat aber einen kleinen Hacken, nämlich: wäre für das komplett männliche Geschlecht (also alle Männer dieser Welt) wirklich sehr, sehr schwer zu realisieren also könnten wir vielleicht doch ein paar mehr „wertlose“ Frauen haben die dann bitte ihre Keuschheit und Ehre für eine gute Sache opfern. Wenn wir einfach vielleicht die nehmen, die eh keine beschützenden und liebenden Väter haben würde sich auch keiner beschweren und alle wären glücklich. Naja vielleicht bis auf die armen Dinger da. Alles veraltet und herbeigezogen was ich da so von mir gebe? Total übertrieben und längst überholt? Stimmt. Das Prinzip von Bordellen und ihren Nutten ist natürlich extrem weit davon erfährt.

Aber zurück zu meiner subjektiven, individuellen Perspektive und der Zahl 7 auf meinem Bewertungsbogen. Auch wenn ich meinen Freund sehr, sehr liebe und meine Zahl nicht mit dem Sextestchen seriösitätsgrad Wochenhoroskop übereinstimmt, habe ich ja eine Zahl X und die ist nunmal ungleich Null. Die von meinem Freund ja auch. Wir waren immer treu, aber es gab ein Leben ohne den Anderen und zum Glück ist das heute vorbei. Am Besten also das ganze vorherige Leben verteufeln und alles ganz, ganz schlecht finden. Exfreundinnen blöd, erster Kuss blöd, Kinderfotos blöd. Natürlich provoziere ich hier bewusst: Als extrem eifersüchtiger Mensch ist mir jede Schickse zuwider die mal was mit meinem Boyfriend hatte oder es nur in Erwägung gezogen hat. Ja auch jede die er mal toll fand, ob er nun zum Zug kam oder nicht, hat die Kraft mich fuchsig werden zu lassen, and not in a good way. Meine Eifersucht ist latent präsent und flüstert mir manchmal böse Geheimnisse zu, die ich vielleicht gar nicht wissen will. Eifersucht: Blöd!

Natürlich finde ich die Kinderfotos von meinem Freund (lasst ihn uns einfacher halbe „Leo“ nennen) supersüß und entzückend. Ohne Eifersucht, ohne Gedanken dass es mich ja noch nicht gab, kein böser Seitenhieb schmerzt mich und lässt mich unwichtig fühlen. Obvious. Auch der erste Kuss ist okay für mich – keine tiefgreifende Eifersucht verletzt meine Seele. Das erste Mal fängt schon an etwas wehzutun. Aber dann rede ich mir ein, dass das ja 10 Jahre her ist und er quasi noch ein Kind war (yo ziemlich crank). Das letzte Mal vor mir oder letzte Kuss vor mir, das letzte Mädchen in das er vor mir verliebt war, dass tut dann doch ziemlich eh und mir gehen die „Eigentrostargumente“ aus. #Sadbuttrue

Natürlich mache ich ihm da keinerlei Vorwürfe, das wäre ja auch kindisch und völlig asozial, aber ja, es tut weh. dann denke ich auch daran, dass er sicher auch viel von den Mädels gelernt haben wird wie man sich in Beziehungen verhält und dann danke ich den Mädels ambivalent aber aufrichtig dafür, dass sie die ätzenden Grabenkämpfe mit Leo geführt haben die ich niemals mit ihm hätte führen wollen.

Zurück zu meiner 7. Mein Freund verletzt meine Zahl X sehr. Das verstehe ich mega gut, vor allem macht er mir keine Vorwürfe, genauso wenig wie ich das mache also leidet er still vor sich hin und mir tut’s Leid. Tatsächlich hab ich mehr quantitative Erfahrungen gemacht als er, was ihn wurmt. Sicher, die Sexpartner_INNEN des Partners die es vor einen gab, sowie die Exfreunde_INNEN tun weh – egal ob wir Männlein oder Weiblein sind. Schmerz kennt kein Geschlecht. Aber ich würde dennoch sagen, dass das männliche Ego Schwierigkeiten damit hat, wenn die Frau mehr sexuelle Erfahrungen hat (BTW – der Begriff männliches Ego ist auch so ein Ding – haben wir Frauen denn kein „weibliches Ego“?). Ich denke der Schmerz dieses Egos ist unnötig, oder wie seht ihr das? Ich unterstelle Leo nicht diesen „Ego-schmerz“ zu besitzen, könnte es mir aber dennoch vorstellen. Unbewusst sind wir stets geprägt von unserem Umfeld, der Gesellschaftsmoral und können uns wie von der Schwerkraft nur schwer trennen. Das hat das liebe Unicorn auch schonmal toll erklärt. Also liebe Männer und Frauen dieser Welt, können wir unsere Werte bezüglich sexueller Freiheit etwas mehr angleichen und dadurch den Schmerz versuchen zu lindern? Entweder so Tabu und Keuscheut-Gesellschaft oder freie Liebe für Alle – aber dann bitte für Alle-Alle und nicht nur für Einige-Alle.

In diesem Sinne, #makelovenowar

-Nele

Gif: Giphy

9 Gedanken zu “Sex-Tagebuch

  1. Bezüglich Eifersucht bin ich etwas zwiegespalten. Auf die eine oder andere aus seiner Vergangenheit war ich durchaus auch eifersüchtig [und bin es je nach Tagesform selbst heute noch] doch das kommt definitiv auf den Zusammenhang bzw. die emotionale Intensität der jeweiligen Beziehung an. Bei dem Großteil seiner Verflossenen und One-Night-Stands bin ich da sehr gelassen. Das alles ist Vergangenheit, somit zwar Teil seines Lebens und durchaus auch ein Teil dessen, was ihn zu der Person gemacht hat die er heute ist. Selbiges gilt ja auch für meine ehemaligen Liebhaber bzw. Exfreunde. Wir waren beide in der Vergangenheit keine Kinder der Traurigkeit, und ich vermute, hätten wir all diese Erfahrungen nicht gemacht [ich rede jetzt nicht nur von Sex sondern auch von all dem andren, was eine Beziehung ausmacht] könnten er und ich ganz sicher heute nicht diese Beziehung führen.
    Wenn ich jetzt heute weiß oder vermute, dass eine hinter ihm her ist, dann ist es natürlich erst recht eine große Genugtuung für mich, dass er sein Leben mit ausgerechnet mit mir teilt. 😀

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    1. Hey liebes Einhorn! Jetzt wollte ich gespannt deine Antwort lesen und der blöde Link funktioniert nicht, blöd! Wie machen wir das jetzt? Ist der aktuell/gelöscht/deaktiviert? Sorry dass ich das noch nicht gecheckt habe aber sooft bin ich nicht hier und wenn doch weißt du ja welch treue Leserin und Respondin ich bin. Möchte gerne deine Meinung über alles wissen! Schickst du mir nochmal den Link? -Nelebele

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      1. Hahaha klar den stalk ich natürlich total interessiert. Zur Zeit hab ich auch keine Bock zu bloggen und wenn’s mich dann doch wieder kitzelt mich online aufzuregen, weiß ich wo ich Dich finde 😉 Ich hoffe Dir gehts gut.

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      2. Sehr gut, aufregen, sehr gut 😉 Ja, ich lese gerade „Unspeakable Things“ von Laurie Penny, das ich nur empfehlen kann! Das Buch macht zuweilen ziemlich wütend und verzweifelt, weil es einfach so wahr ist. Sie führt viele wichtige Dinge zusammen, und diesmal auch echt gut lesbar 😉 Auch ansonsten bei mir alles top =) Ich hoffe, dir geht es auch gut!

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      3. Worum geht’s in dem Buch? Ich hatte die letzte ähnliche Erfahung als ich das oberschrottige Buch „Stillettos und Champagner“ gelesen habe (ich weiß, der Titel schreit schon nach Brechreiz aber mir war langweilig). Die Frau jedenfalls war unterwürfig,naiv und generell einfach ätzend. Zum ersten mal geheult beim Lesen, weil das Buch so schlecht war. Aber es hört sich an als mögest du „Unspeakable Things“? Ist das ein Buch wie unsere Blogs?

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  2. Mathematisch ging die Formel eh nicht auf, beide Geschlechter waren und sind immer sehr aktiv, daher ist es immer nur der Grad der Verschwiegenheit. Die Großelterngeneration ist zudem sehr verschwiegen, denn deren eigenen Gelüste konnten sie auch nicht einfach so runterschlucken.

    Trotzdem gilt in entscheidenden Momenten der Spruch für Frauen, „mach dich rar“. Wenn Frau es ernst meint, dann braucht Mann ein bisschen Zeit, bis er weiss, warum er mit einer Frau langlebig zusammen bleiben will.
    Warum Männer unbedingt das Auto und kein anderes haben wollen, können sie bis ins Detail erklären.
    Warum aber diese Beziehung ….öhm ja

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    1. Das mit der Verschwiegenheit stimmt, auch das mit „mach dich rar“ aber das sehe ich nicht nur für die Frau so. Ein Mann der mich nach dem ersten Daten flachlegen will wird kein zweites date erleben. Sind Gefühle im Spiel müssen beide das langsam angehen lassen und eben ihren Trieb unterdrücken. Find ich jemand ernsthaft toll muss ich mich ja auch zwingen es nicht zu schnell angehen zu lassen und das fällt mir ja viel schwerer wenn ich den RICHTIG gut finde. Wieso sollte es denn bitte UNSERE Aufgabe sein stets enthaltsam zu sein? Männer dürfen ihrem Trieb nachgehen und wir müssen uns gegen unseren auflehnen? Das finde ich sehr rückschrittlich. Hoffe irgendwann checkt die Menschheit das Gleichheit echt ne super Sache wäre und nicht immer wir auf den Spaß verzichten müssen. Wir wollen oft genau dasselbe. So anders sind wir am Ende des Tages auch nicht 😉

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